Gasteig:Steigt ein externer Investor in die Sanierung mit ein?

Max Wagner im leeren Kulturzentrum Gasteig in München, während der Corona-Krise, 2020

Ausstellungsstück mit Symbolkraft: Der Gasteig ist dringend sanierungsbedürftig, 450 Millionen Euro sind bisher für das Großprojekt veranschlagt, das Geschäftsführer Max Wagner leitet.

(Foto: Catherina Hess)

Bis zu 450 Millionen Euro könnte das neue Kulturzentrum kosten. Angesichts der Corona-Sparzwänge erwägt die Stadt nun offenbar, auf ein Modell umzuschwenken, mit dem sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht hat.

Von Heiner Effern und Michael Zirnstein

Es hätte eine relativ einfache Aufgabe für Max Wagner sein können, eine, die ihm liegt. Der Geschäftsführer des Gasteig hätte am heutigen Dienstag in einer seiner vor Charme funkelnden Ansprachen seinem neu konstituierten Aufsichtsrat berichten können, dass er und sein Team wieder auf Kurs sind mit der Sanierung von Münchens zentralem Kulturzentrum. Nachdem man im Hin und Her über Urheberrechte und im Rechtsstreit um den Architektenwettbewerb etwa ein Jahr verloren hatte, ist nun die Vorplanung vollendet. Aber der Aufsichtsrat wird mit Wagner nicht nur über schöne Perspektiven, sondern auch über Finanzen reden müssen. Bis zu 450 Millionen Euro soll der neue Gasteig kosten, doch der Stadt geht wegen der Corona-Krise das Geld aus.

Alleine zwei Milliarden Euro könnten bis 2024 wegen wegbrechender Steuern fehlen, dazu kommen zusätzliche Ausgaben für die Folgen von Corona und die Verluste städtischer Töchter. Die neue grün-rote Regierung hat nicht mehr viel zu verteilen. Gasteig-Geschäftsführer Wagner wird also nicht nur seinen Charme auspacken müssen, sondern vor allem auch eine ordentliche Portion Kampfgeist. Hinter den Kulissen zeichnet sich aber eine Lösung ab, wie die Stadt sich die hohen Investitionen sparen und trotzdem einen rundum sanierten Gasteig bekommen könnte. Wie beim Bau in den 1980er Jahren könnte die Stadt das Gebäude einem Investor übergeben. Dieser übernimmt die Sanierung und die Stadt mietet oder least das Gebäude mit einem langfristigen Vertrag zurück.

Viele Münchner haben nicht mehr im Gedächtnis, dass die Kosten beim Bau des Gasteig das Budget um 100 Millionen Mark sprengten. Der Stadtrat übertrug das Gebäude damals der Allgemeinen Kommunal-Leasing Objekt Gasteig GmbH und Co KG und einigte sich auf eine jährliche Leasing-Gebühr von etwa 25 Millionen Mark. Manuel Pretzl, Fraktionschef der CSU, kann sich vorstellen, ein solches Modell wieder aufzulegen. "Dann könnten wir die Sanierung extern finanzieren." Die CSU werde kritisch hinschauen bei den Kosten, stehe aber zu der von ihr stets favorisierten großen Lösung. "Wenn wir dort etwas machen, dann richtig", sagte Pretzl.

Auch von den Grünen und der SPD kommen positive Signale für ein solches Verfahren. Aus dem Umfeld von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne), die am Dienstag ihre Premiere als Aufsichtsratschefin des Gasteig geben wird, heißt es, dass man über solch ein Vorgehen intensiv reden werde. Der Aufsichtsrat muss spätestens im Herbst eine Empfehlung für den Stadtrat erarbeiten, die voraussichtlich im Oktober zur Abstimmung stehen wird.

Max Wagner wird deshalb die alten und besonders auch die neuen Mitglieder auf den neuesten Stand der Planung bringen. Also jenen ausgearbeiteten Entwurf in 25 Steckbriefen noch detaillierter vorstellen, der zeigen soll, dass sich das zur Stadt hin öffnende Siegermodell des Architekturbüros Henn durchaus mit den umfangreichen Wünschen der Gasteignutzer vereinbaren lässt - und vor allem auch mit den vom Stadtrat angepeilten Kosten von bis zu 450 Millionen Euro. Damit will er nicht nur das Allernötigste wie den Brandschutz und die Haustechnik ertüchtigen, sondern all das neu schaffen, was die Institute brauchen und was den Gasteig wieder zu einem Anziehungspunkt weit über Münchens hinaus machen soll.

"Der neue Gasteig. Willkommen Zukunft" steht über einem Flugblatt, das für den großen Wurf werben soll. Es stammt aus dem Kulturreferat und wurde zusammen mit allen Stammnutzern des Gasteig erstellt, den Philharmonikern, der Volkshochschule, der Stadtbibliothek, der Musikhochschule und - neu dabei - dem Münchener Kammerorchester. Sie alle wollen nach der Sanierung von modernen Räumen und Konzepten profitieren. "Alle Beteiligten haben das große Ganze geträumt, Sinnvolles und Machbares geplant", heißt es. Die Charme-Offensive, die die neuen Aufsichtsräte emotional packen und ihnen den Gasteig jenseits der Zahlen als visionären Ort der Begegnung schmackhaft machen soll, wird am Dienstag auch Kulturreferent Anton Biebl unterstützen. Sie soll besonders auch die neuen Aufsichtsräte ansprechen, die nicht wie ihre Vorgänger auf Studienreisen nach Aarhus, Paris, Amsterdam und Helsinki am eigenen Leib erlebt haben, wie sich moderne Kultur-Architektur anfühlen kann.

Grüne und CSU zeigten sich dem großen Wurf schon früher aufgeschlossen, aber auch die SPD steht zu den Worten ihres Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD), der gesagt hat, dass der Besucher des Gasteig auch erleben müsse, was die Sanierung ihm gebracht habe. Sonst wäre ein solch "satter Betrag" auch nicht vermittelbar, sagt Stadtrat Klaus Peter Rupp, der für die SPD im Aufsichtsrat sitzt. Aber vielleicht müssen die Stadträte am Ende den Bürgern auch nur noch erklären, wie hoch die jährliche Leasinggebühr für das größte Kulturzentrum Europas ist.

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