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Die Zwiebelhauben der Frauenkirche

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Stolz recken sich die Türme der Frauenkirche in den Himmel. Doch warum sind ihre Hauben rund? foto: bast
Stolz recken sich die Türme der Frauenkirche in den Himmel. Doch warum sind ihre Hauben rund? foto: bast © -

München - München ist eine Stadt voller Geheimnisse: Dinge und Geschichten, von denen die meisten Besucher der Stadt – und selbst manche Münchner – nichts wissen. In unserer Serie „Münchner Geheimnisse“ lüften wir einige von ihnen. Heute geht es um die Form der Frauentürme.

Es ist einfach atemberaubend, wie die Türme der spätgotischen Domkirche, besser bekannt als Frauenkirche, in den Himmel ragen. Wer aber in der Kunstgeschichte bewandert ist, für den ist der Blick nach oben mit einem Fragezeichen verbunden: Warum sind die Hauben der Frauenkirche rund? Derartige Hauben gibt es in Bayern zwar recht oft, aber erst seit dem Barock und nicht schon in der Gotik, in der die Türme stets spitz waren.

Genau wegen dieser Besonderheit, erläutert Stadtführer Christopher Weidner, würden die Turmabschlüsse auch „Welsche Hauben“ genannt. „Welsch war in der damaligen Zeit ein Ausdruck für fremdartig: französisch, spanisch, italienisch – daher stammt auch der Begriff Kauderwelsch.“ Kunsthistoriker hätten sich mit der Frage, warum die Hauben rund sind, lange beschäftigt, erzählt Weidners Kollege Mario Max. „Es gab sogar im 19. Jahrhundert Bestrebungen, den Turmabschluss rückgängig zu machen beziehungsweise einen Abschluss mit spitzen Hauben zu schaffen.“

Den Hauben liegt ein Irrtum zugrunde

Inzwischen sei die Wissenschaft ein großes Stück weiter: „Man geht davon aus, dass den Hauben ein Irrtum zugrunde liegt“, sagt Max. Der Bau der Frauenkirche erfolgte in den Jahren 1468 bis 1488 unter Jörg von Halspach oder von Halsbach (1441–1488). „Die Turmspitzen waren damals aber noch nicht fertig“, erklärt Christopher Weidner. Im Landshuter Erbfolgekrieg (1504/05) erwies sich das als praktisch, denn auf den Stümpfen konnten Kanonen postiert werden. Und die Hauben? Wurden sie etwa erst zur Barockzeit erbaut? Im Gegenteil! Möglicherweise schaute man sich im Barock die für Bayern so typische Zwiebelhaubenform sogar von München ab.

„Man vermutet, dass Architekt Halspach einen Holzschnitt sah, den der Domherr von Mainz, Bernhard von Breydenbach, im Jahr 1486 in seinem populären Reisebericht ‚Pilgerreise ins Heilige Land‘ veröffentlicht hatte“, sagt Mario Max. Auf dem Holzschnitt ist Jerusalem zu sehen – mit dem prachtvollen Felsendom, dem ältesten monumentalen Sakralbau des Islam. Dem Ort, an dem Mohammed seine Himmelfahrt antrat. „Dieser ist auf dem Holzschnitt aber als Tempel Salomons beschriftet“, erklärt Max’ Kollege Weidner. Eine Verwechslung? Wohl eher nicht.

Weidner schreibt dazu in einem Aufsatz: „Schon zu biblischen Zeiten war dieser Ort ein heiliger Platz, denn der Tempel Salomons soll sich dort befunden haben. Breydenbach deklariert auf seinem Holzschnitt die Moschee deshalb erfolgreich als ‚templum Salomonis‘. Baumeister Halspach dürfte das Buch gekannt haben, und Historiker gehen davon aus, dass es ihm als Inspiration für den Entwurf der Turmbekrönung seiner Frauenkirche diente.“

Baumeister Halspach erlebte die Fertigstellung nicht mehr 

Auch Stadtführer Mario Max findet es schlüssig, dass der Architekt sich dachte: Wenn das der Tempel Salomons ist, dann will ich diese Hauben auch auf die Frauenkirche setzen: „Gott selber, so heißt es, habe die Architektur des Tempels Salomon bestimmt, ein göttlicheres Bauwerk könne es nicht geben. Es war der Inbegriff des Allerheiligsten.“

Halspach selbst sollte den Abschluss des Baus nicht mehr erleben: Wegen des Landshuter Erbfolgekriegs musste die Baumaßnahme unterbrochen werden, der Architekt segnete das Zeitliche und sein Schüler Lukas Rottaler stellte die Hauben im Jahre 1525 fertig. So wurde also mitten in München ein Gotteshaus geschaffen, das an seinen höchsten Punkten auf den Islam verweist. Und von hier aus flog diese stumme Botschaft durch ganz Bayern, als im Barock immer mehr Zwiebeltürme entstanden. Ein wunderbares, stilles Zeichen des Miteinanders der Gläubigen dieser Welt. „Wahre Heiligtümer“, sagt Christopher Weidner, „kennen eben keine Konfession.“

Das Buch "Münchner Geheimnisse" kostet 14,90 Euro und kann im Internet unter http://www.heimatshop-bayern.de/muenchner-geheimnisse bestellt werden. Erhältlich ist es ab Anfang November. 190 Seiten; ISBN 978-3-9816-796-7-0.*

Eva-Maria Bast

*Alle Preise inkl. MwSt. und zzgl. Versandkosten.

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